Warum institutionelle Investoren noch nicht massiv in Blockchain investieren
Über 130 Billionen US-Dollar verwaltet globale Institutionen - Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen, Sovereign Wealth Funds. Sie kontrollieren das Geld der Welt. Doch obwohl Blockchain-Technologie seit über einem Jahrzehnt existiert und viele Anwendungsfälle bewiesen hat, investieren diese großen Akteure nur zaghaft. Warum? Es sind nicht nur technische Unsicherheiten. Es sind Systeme, Regeln, Strukturen und menschliche Ängste, die sie zurückhalten.
Ein großer Teil des Problems liegt in der Regulierung. Institutionelle Investoren arbeiten unter strengen gesetzlichen Vorgaben. Sie müssen ihre Anlagen nach klaren, prüfbaren Kriterien auswählen - Liquidität, Risikobewertung, Transparenz. Doch viele Blockchain-Projekte erfüllen das nicht. Token sind oft keine klassischen Wertpapiere. Sie haben keine offizielle Zulassung durch Finanzaufsichtsbehörden wie die SEC, ESMA oder die FINMA. Ein Pensionsfonds in der Schweiz oder Deutschland kann nicht einfach in einen neuen DeFi-Protokoll-Token investieren, weil er nicht als reguliertes Finanzprodukt gilt. Die Rechtslage ist unklar. Keine Bank, kein Treuhänder, kein Risikomanager will die Verantwortung tragen, wenn ein solcher Investment entschwindet oder als Wertpapier eingestuft wird - und damit plötzlich komplexe Anforderungen gelten.
Technische Infrastruktur: Zu komplex, zu teuer, zu unsicher
Ein institutioneller Investor braucht nicht nur eine Wallet. Er braucht eine vollständige Investitions-Infrastruktur: Custody, Reporting, Risikomodellierung, Auditfähigkeit, Compliance-Integration. Die meisten Blockchain-Plattformen bieten das nicht. Selbst die besten Custodians wie Coinbase Institutional oder Fidelity Digital Assets haben nur begrenzte Funktionalitäten. Sie können Kryptowährungen sicher lagern - aber wie misst man das Risiko eines NFT-basierten Immobilienfonds? Wie integriert man die Transaktionsdaten eines DeFi-Protokolls in ein bestehendes Risk Management System von BlackRock oder State Street? Die meisten Systeme sind für Aktien, Anleihen und Private Equity gebaut. Blockchain ist eine andere Sprache.
Dazu kommt die Cyber-Sicherheit. Ein einzelner Hack bei einem Custodian kann Milliarden kosten. Institutionelle Investoren haben keine Toleranz für solche Risiken. Sie verlangen mehrfache Signaturverfahren, Hardware-Sicherheitsmodule, unabhängige Audits, Versicherungen - und selbst das reicht nicht immer. Einige haben bereits verloren. Einige haben sich deshalb entschieden: Lieber gar nicht investieren, als später vor einem Aufsichtsrat rechtfertigen zu müssen, warum man in ein System investiert hat, das nicht vollständig verstanden wird.
Private Markets und Blockchain: Eine ungelöste Verbindung
Fast 70 % der institutionellen Investoren planen, ihre Anteile an Private Markets - also Private Equity, Private Credit, Infrastruktur - in den nächsten fünf Jahren zu erhöhen. Doch hier liegt ein weiteres Hindernis: Blockchain könnte diese Märkte transparenter machen. Tokenisierung von Immobilien, Beteiligungen oder Fondsanteilen könnte Liquidität schaffen, die heute fehlt. Aber warum passiert das kaum?
Weil die bestehenden Akteure - Anwälte, Treuhänder, Verwaltungsagenturen - nicht bereit sind, ihre Prozesse zu ändern. Die meisten Private-Equity-Fonds arbeiten mit Papierverträgen, manuellen Abstimmungen, monatlichen Reports. Die Umstellung auf Smart Contracts, digitale Anteile und automatisierte Dividendenausschüttungen erfordert nicht nur Technik, sondern auch eine kulturelle Veränderung. Wer will schon die Kontrolle über einen Fonds an eine Blockchain abgeben? Wer will, dass jeder Investor die Transaktionen einsehen kann? Die alte Welt will ihre Exklusivität bewahren.
Und dann gibt es noch das Problem der Liquidität. Selbst wenn ein Fondsanteil tokenisiert wird - wer kauft ihn? Die meisten institutionellen Investoren haben keine Plattform, auf der sie solche Token handeln können. Es gibt keine organisierten Märkte. Keine Börsen, die diese Anlagen anerkennen. Keine Clearingstellen. Keine Standardisierung. Ohne das ist Tokenisierung nur ein schönes Konzept - kein funktionierendes Investmentprodukt.
Die Kostenfalle: Wer zahlt für die Transformation?
Ein institutioneller Investor, der in Blockchain investieren will, muss nicht nur das Investment selbst bezahlen. Er muss auch die Infrastruktur dafür aufbauen. Das bedeutet: neue Software, neue Mitarbeiter, neue Audits, neue Compliance-Prozesse, neue Schulungen. Ein großer Fonds mit 50 Milliarden Dollar hat vielleicht 200 Mitarbeiter im Investmentteam. Wie viele davon verstehen Blockchain? Vielleicht zwei. Um das zu ändern, braucht es Zeit und Geld - und beides ist knapp.
Die Kosten für die digitale Transformation sind hoch. Einige Institute haben bereits Millionen in Blockchain-Prototypen investiert - nur um sie nach einem Jahr abzuschalten. Warum? Weil die internen Systeme nicht miteinander kommunizieren. Weil die Regulierung nicht klar ist. Weil die internen Stakeholder nicht einverstanden sind. Die Folge: Die Investitionen bleiben auf Pilotprojekten stecken. Keine Skalierung. Kein Return on Investment. Und wenn kein ROI sichtbar ist, wird das Budget gekürzt.
Der Talentmangel: Wer kann das überhaupt machen?
Es gibt nicht genug Menschen, die sowohl Finanzwissen als auch Blockchain-Kenntnisse haben. Wer versteht, wie ein Liquidity Pool funktioniert - und gleichzeitig die Risikobewertung eines Anleiheportfolios? Wer kann ein Smart Contract auditieren - und gleichzeitig die Compliance-Anforderungen der MiFID II erfüllen?
Die meisten Finanzexperten wurden in traditionellen Universitäten ausgebildet. Sie kennen Black-Scholes, CAPM, DCF. Sie kennen keine Merkle-Bäume, Proof-of-Stake oder Eigenkapital-Token. Und die jungen Leute, die Blockchain verstehen, haben oft keine Ahnung von Portfoliomanagement, Risikokapital oder Fiduziarverantwortung.
Das führt zu einer Doppelkrise: Institutionen können keine Experten finden. Und wenn sie welche finden, können sie sie nicht halten. Startups zahlen doppelt so viel. Und sie bieten mehr Freiheit. Die Folge: Die größten Investoren haben die geringste Expertise. Sie verlassen sich auf Berater - aber wer berät sie? Die meisten Berater haben keine echten Erfahrungen. Sie verkaufen Konzepte - keine Lösungen.
Geopolitik und Unsicherheit: Wer vertraut noch?
34 % der institutionellen Investoren sehen die USA-China-Beziehungen als größtes Risiko. 32 % fürchten eine Ausweitung von Kriegen. Blockchain ist global - aber die Regulierung ist national. Ein Fonds in der Schweiz will in einen US-Blockchain-Fonds investieren. Aber die SEC sagt Nein. Ein Fonds in Deutschland will in einen asiatischen DeFi-Protokoll-Token investieren - aber die BaFin hat keine klare Position. Die Regulierung hinkt hinterher. Und in Zeiten von Unsicherheit zögern Investoren besonders stark.
Die Märkte sind volatil. Die Zinsen schwanken. Die Inflation bleibt hoch. In diesem Umfeld ist das letzte, was institutionelle Investoren tun wollen: in etwas Neues, Unbekanntes, Unreguliertes investieren. Sie wollen Sicherheit. Sie wollen Vorhersehbarkeit. Blockchain bietet beides nicht - zumindest noch nicht.
Die Zukunft: Wann ändert sich das?
Es wird sich ändern. Aber nicht, weil die Technologie besser wird. Sondern weil die Nachfrage steigt. Und weil die Regulierung endlich Schritt hält.
Die ersten Schritte sind bereits da: Die EU arbeitet an MiCA - dem Marktkonzept für Kryptowährungen. Die Schweiz hat klare Regeln für Tokenisierung. Die USA haben erste ETFs für Bitcoin zugelassen. Das ist ein Anfang. Aber es reicht nicht. Es braucht Standardisierung: Einheitliche Protokolle für Tokenisierung, einheitliche Audits, einheitliche Reporting-Formate. Es braucht mehr Custodians mit echter institutioneller Infrastruktur. Es braucht mehr Bildung - für Investoren, für Aufseher, für Anwälte.
Die größte Barriere ist nicht die Technik. Die größte Barriere ist die Angst. Die Angst, etwas falsch zu machen. Die Angst, verantwortlich zu sein. Die Angst, nicht zu verstehen, was man tut. Solange diese Angst dominiert, bleibt Blockchain für institutionelle Investoren ein Thema für die Zukunft - nicht für heute.
16 Kommentare
Die ganze Diskussion ist ein Luxusproblem. Wer auf Regulierung wartet, hat schon verloren. Blockchain ist keine Frage der Compliance, sondern der Machtverschiebung. Die Alten schützen ihre Türme, während die Jungen die Mauern einreißen.
Kein Pensionsfonds wird die Zukunft retten. Die Zukunft kommt ohne sie.
Es ist bemerkenswert, wie sehr wir uns an strukturelle Unsicherheiten klammern, statt sie als Anlass zu sehen, Systeme zu überdenken. Die institutionellen Rahmenbedingungen wurden für eine analoge, zentralisierte Welt entworfen. Die digitale Realität verlangt nach neuen Regeln – nicht nach mehr Vorsichtsmaßnahmen.
Ich weine einfach, wenn ich sehe, wie viele Menschen noch an Papierverträgen festhalten 🥲💔 Blockchain ist die Zukunft – und sie wird uns alle überholen, egal wie sehr wir uns wehren. Wer nicht mitzieht, bleibt zurück. Und das ist traurig.
Die Angst vor dem Unbekannten ist kein Hindernis – sie ist die Grundlage menschlicher Evolution. Doch wir haben vergessen, dass Evolution nicht durch Kontrolle geschieht, sondern durch Akzeptanz des Unvollkommenen. Blockchain ist kein Werkzeug, sondern eine Metapher für die Zersplitterung der Autorität – und das macht uns nervös, weil wir nie wirklich kontrolliert haben, was wir glaubten zu kontrollieren.
Und wieder ein Artikel, der die Probleme beschreibt, aber keine Lösung vorschlägt. Wer hat denn schon mal einen Fonds mit Tokenisierung aufgesetzt? Nein? Dann schreiben Sie nicht über Dinge, die Sie nicht verstehen.
Ich liebe es, wie Deutschland immer alles überdenkt, bis es nicht mehr geht 😅 Blockchain ist wie eine Party – die einen warten auf den Einladungslink, die anderen tanzen schon seit Jahren. Wer hat Zeit für Bürokratie, wenn die Musik läuft?
Wir brauchen keine neuen Technologien. Wir brauchen mehr deutsche Disziplin. Wer in Krypto investiert, verliert Geld. Wer in deutsche Mittelständler investiert, baut Zukunft. Die Welt dreht sich nicht um amerikanische Token – sie dreht sich um stabile Werte.
Hm. Interessant. Ich hab’s gelesen. Aber ich hab keine Lust, was zu tun.
Ich hab vor drei Jahren mit einem kleinen Fonds angefangen, Token von deutschen Immobilien zu kaufen. War stressig, aber es funktioniert. Die Infrastruktur ist nicht perfekt – aber sie wächst. Man muss anfangen, bevor alles perfekt ist.
Die wahre Frage ist nicht, warum Institutionen zögern – sondern warum wir glauben, dass sie jemals bereit sein werden, ihre Macht abzugeben. Blockchain entmachtet. Und Macht gibt man nicht freiwillig her. Sie wird genommen. Und das ist es, was die Angst wirklich ausmacht.
Die größte Lücke ist nicht die Technik, nicht die Regulierung – sondern die fehlende Sprache. Wir reden über Token, Smart Contracts, DeFi, aber niemand erklärt, was das für einen Pensionsfonds bedeutet, der monatlich Rente zahlen muss. Es braucht Übersetzer – nicht Entwickler. Menschen, die zwischen Finanzwelt und Blockchain vermitteln können. Die gibt es kaum. Und die werden nicht bezahlt. Deshalb bleibt alles bei Pilotprojekten. Weil niemand die Brücke baut, die alle brauchen – aber niemand bezahlen will.
Blockchain ist nur ein Trend. Wie NFTs. Wer da investiert, hat kein Verständnis für echten Wert. Ein Haus hat Wert. Eine Firma hat Wert. Ein Token? Ein Zahlenstrich. Punkt.
Deutschland ist das Land der Vorsicht. Und das ist gut. Aber Vorsicht wird zur Lähmung, wenn man sie als Lebensform versteht. Wir haben die besten Ingenieure der Welt – und doch warten wir, bis Amerika es macht. Dann kopieren wir es – und sagen, wir hätten es immer gewusst.
Ich denke, die Lösung liegt nicht in mehr Regulierung, sondern in mehr Experimentierfreude. Kleine Schritte. Piloten. Lernen. Scheitern. Weitermachen. Die Welt dreht sich schneller – und wer nicht mitgeht, wird nicht mehr gehört.
Ich hab letzte Woche mit einem kleinen Fonds in Berlin gesprochen. Die haben eine Blockchain-Lösung für Private Equity getestet – und sie sagen: Es ist einfacher als alles, was sie vorher hatten. Kein Papier. Keine Verzögerungen. Keine manuellen Abstimmungen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere nachziehen. Wir müssen nur anfangen.
Ich arbeite mit jungen Leuten, die Blockchain verstehen – und ich sage ihnen: Ihr müsst lernen, wie man Renditen berechnet. Und die Alten? Die müssen lernen, was ein Merkle-Baum ist. Beide Seiten müssen lernen. Nicht nur die Jungen. Nicht nur die Alten. Beide. Gemeinsam. Denn nur dann wird es funktionieren.